Kolumbien ist Vielfalt
Interview mit Fotojournalist Immanuel Schulz
Immanuel Schulz (40) ist professioneller Fotograf, bereist seit 25 Jahren die ganze Welt und nahm bereits an verschiedensten Fotoexpeditionen teil. 2002 hat er sich auf eine zweimonatige Kolumbien-Reise begeben und war derart begeistert, dass er dem ersten Besuch noch viele weitere folgen ließ. Dabei hat Immanuel viele faszinierende Bilder aufgenommen, die er seit 2014 in seinem Kolumbien-Vortrag regelmäßig vor großem Publikum zeigt. Am Bodensee organisiert er jedes Jahr Anfang November das WunderWelten-Festival und weitere Vortragsreihen, Fotokurse sowie Veranstaltungen in Heidelberg.
Immanuel, Du hast bereits über zwei Jahre Deines Lebens in Kolumbien verbracht – was fasziniert Dich so an diesem Land?
Dieses Land ist ein einzigartiger Mikrokosmos! Es gibt dort Wüsten, Urwald, Berge, Meer und nahezu alle verschiedenen Klimazonen. Kolumbien verfügt über eine unglaublich vielfältige Flora und Fauna und hat die meisten Vogelarten weltweit. Es gibt fast menschenleere Landstriche in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, andere Regionen sind wiederum hoch entwickelt und dicht bevölkert. Kolumbien verfügt auch über eine sehr vielschichtige Kultur, die durch das Zusammenleben von verschiedenen Einwanderern und den Ureinwohnern geprägt ist. Trotz großem Reichtum an Rohstoffen herrscht leider auch viel Armut, aber die Menschen bewahren sich ihre Fröhlichkeit und ihren Stolz. Es ist diese Kombination aus Vielfalt und Gegensätzen die meine Faszination für Kolumbien ausmacht.
Die Vielfalt des Landes ist ja allein schon durch die völlig unterschiedlichen Regionen bedingt…
Kolumbien ist geographisch gesehen eines der vielseitigsten Länder dieser Erde! Mit den Andenketten, dem karibischen Küstentiefland, dem Chocó am Pazifik, den Llanos im Osten und dem Amazonas gibt es gleich fünf außergewöhnliche Naturregionen. Jede hat ihren ganz eigenen Charakter und eine typische Kultur, weshalb ich auf jeder Kolumbien-Reise unglaublich viel Neues entdecken kann.
Gibt es Orte, zu denen Du einen besonderen Bezug hast, und/oder an die Du immer wieder zurückkehrst?
Wenn du dicht einem Land wie Kolumbien öffnest kommen die besonderen Momente und Begegnungen wie von selbst. Auf diese Weise bekam ich einen tiefen Zugang und das Land wurde zu meiner zweiten zweiten Heimat. Die man vermisst und die man immer wieder aufsucht. Wobei gerade das „Neuentdecken des Bekannten“ mich immer wieder fasziniert. Der berühmte kolumbianische Schriftsteller Gabriel García Márquez hat ja den s.g. „Magischen Realismus“ geprägt – sicherlich auch inspiriert durch seine Heimat. Am Anfang vieler Texte Gabriel García Márquez steht oft „ein einfaches Bild“. Dieses Bild wird ausgemalt, immer mehr erweitert, sodass ein imposantes Tableau entsteht. Parallel dazu kann man auch heute noch in kleinen, unscheinbaren und verschlafenen Orten in der Karibik-Region Márquez‘ „Macondo“ entdecken. Oft sind es genau diese Orte, die auf den zweiten Blick dann an Interesse gewinnen und in denen dann wie selbstverständlich wunderbare und magische Dinge passieren. Allerdings wurde Gabriel García Márquez nicht nur von seinem Geburtsort Aracataca und der Karibikregion inspiriert, sondern wie so oft waren es bei ihm auch Menschen, die ihn prägten. In Gabos Fall war dies ganz besonders seine Oma, die in ihren Erzählungen das Fantastische und Mystische immer so absolut natürlich und real klingen lies.
Was ist typisch kolumbianisch? Wie sind die Menschen dort?
Kolumbianer sind unglaublich herzlich und sehr stolz auf ihre Nation. Es ist ihnen wichtig, Besuchern ihres Landes ein unvergessliches Erlebnis zu bereiten. Es kam nicht selten vor, dass mich eine Bekanntschaft aus dem Bus abends noch zum Asado eingeladen hat. Mein enger Kontakt zu Kolumbien ist am meisten durch die Herzlichkeit der Menschen entstanden, und viele sind mittlerweile zu guten Freunden geworden.
Du hattest ja auch intensiven Kontakt zur indigenen Bevölkerung…
Bis heute leben noch über 100 indigene Volksgruppen in Kolumbien! Ich hatte das Privileg eine längere Zeit mitten im Amazonas bei einer Familie der Ticuna leben zu dürfen. Dort erhielt ich einen faszinierenden Einblick in ein Leben im Zwiespalt zwischen Tradition und Moderne. Außerdem konnte ich die Urgewalt des Waldes spüren – plötzlich war man nur noch ein winziger Teil von etwas sehr Großem..
Das bisher eindrücklichste Erlebnis in Kolumbien für Dich war…
Ich kann das nur schwer auf einzelne Erlebnisse reduzieren bin auch der Meinung, dass man ein Land als Ganzes wahrnehmen und erleben sollte. Eines von sehr vielen besonderen Erlebnissen war aber auf jeden Fall die Erlaubnis, an der Grenze zu Panama die gewaltigen Lederschildkröten bei der Ablage ihrer Eier fotografieren zu dürfen.
Und die bisherigen Highlights für Dich als Fotograf?
Eine sehr schwere Frage! Vielleicht der Caño Cristales mit seiner Farbenpracht, der sicherlich einer der schönsten Flüsse der Welt ist. Oder die begeisternde Natur des Chocós, wo von Juni bis Oktober die Buckelwale an die Küste kommen um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Aber auch die unterschiedlichen Städte und Dörfer wie Cartagena oder Barichara haben ihren ganz besonderen Reiz. Sehr gerne gehe ich schon sehr früh morgens auf urbane Fotosafari und versuche das Besondere im Alltäglichen zu entdecken.
Bei Kolumbien denken viele Menschen ja leider immer schnell auch an bewaffnete Konflikte und Drogen – wie stellt sich die Lage vor Ort heute dar? Und wie steht es um die Reisesicherheit?
Ich selbst habe schon fast drei Jahre in Kolumbien verbracht und mir ist noch nie etwas passiert. Das bedeutet natürlich nicht, dass dort dieselben Sicherheitsstandards existieren wie in Deutschland. Aber wenn man sich an die Regeln für sicheres Reisen hält, ist das Risiko gering. Vor einigen Jahren war ich mit meinem damals 10 Monate alten Sohn für 8 Wochen im Land unterwegs und es lief alles super.
Sprechen wir auch noch über Dein soziales Engagement…
Ich bin Teil des Bundesvorstands des Deutsch Kolumbianischen Freundeskreises. Innerhalb des DKFs unterstützen wir unterschiedliche Projekte in ganz Kolumbien. Informationen dazu findet man unter www.dkfev.de.
Welche Tipps hast Du für unsere Leser, die nun womöglich darüber nachdenken Kolumbien einen Besuch abzustatten?
Man sollte sich nicht zu viel vornehmen. Kolumbien ist über dreimal so groß wie Deutschland. In einer Woche kann man nicht das ganze Land bereisen. Gerade beim längeren Verweilen entdeckt man besondere Dinge, hat eindrucksvolle Begegnungen oder erlebt magische Momente.