Barockmusik in La Chiquitania
Obwohl sie weniger bekannt ist als Boliviens Andenhochland oder der bolivianische Amazonas, gibt es in diesem südamerikanischen Land eine Region, die in Bezug auf Kultur und Schönheit hervorsticht: La Chiquitania.
Text: Andrés Pinzón Sinuco, Bildquelle: Wikipedia
Diese wunderschöne Region befindet sich im Osten Boliviens, im Departement Santa Cruz. Das erste, was auffällt, ist der Name dieser Gegend. Er geht auf eine indigene Gruppe zurück, die „Chiquitanos“, die das Gebiet vor der Ankunft der spanischen Kolonisatoren Ende des 15. Jahrhunderts bewohnten. Das Wort „Chiquitanos“ ist eine Mischung aus der Guaraní-Sprache und dem spanischen Wort „chiquitos“ (die Kleinen), womit sich die Eroberer vermutlich auf die kleinen Eingangstüren der Hütten in der Region bezog.
Boliviens Geschichte der Kolonisation durch Priester
Die Kolonisierung Amerikas wurde durch die Spanier auch von katholischen Priestern verschiedener Orden durchgeführt. Ihr Ziel war es, den amerikanischen Ureinwohnern die „wahre Religion“ zu bringen und sie „aufzuklären“. Chiquitania war von dieser Evangelisierungsarbeit nicht ausgenommen. Der Jesuiten- und der Franziskanerorden kamen über den Atlantik dorthin. Am einflussreichsten war jedoch Ersterer, der auch als „La Compañía de Jesús“ bekannt ist. Diese Jesuitenmission wurde im März 1540 im Auftrag von Papst Paul III. gegründet, und ihr Anführer war Ignatius von Loyola. Neben der „edlen“ Aufgabe der Evangelisierung ging es darum, „neue Länder zu entdecken, um die neue Welt zu beherrschen“, sagt der bolivianische Historiker Edgardo Villamizar.
Heute ist La Chiquitania berühmt für seine Jesuitenmissionen, eine Sammlung historischer Kirchen und Dörfer, die von den Jesuiten im 18. Jahrhundert erbaut und von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurden. Wenn Sie ein Architekturliebhaber sind und La Chiquitania nicht kennen, sollten Sie unbedingt die heutigen Missionen San Javier und San Ignacio de Velasco besuchen. Ihre einzigartige Architektur gilt als reiches Kulturerbe.
Glaube und die Liebe zur Musik
Und da es bei der Evangelisierung nicht nur um Religion und Katechismus gehen konnte, nutzten die Jesuiten die Musik. Sie sahen, dass die Musik im Leben der Menschen eine große Bedeutung hatte und nutzen diese Liebe zur Musik, um sie zum Christentum zu bekehren. Bis heute spielt die Musik der Renaissance und des Barock in der Chiquitania eine große Rolle. Die Musik, ihre Aufführung und ihr Studium hatten einen großen Einfluss auf diese Region Boliviens. Sie gilt als autochthones Erbe, das zu einem berühmten Barockmusikfestival geführt hat, das heute in- und ausländische Touristen anlockt.
Jedes Jahr findet das Barockmusikfestival in mehreren Missionen der Region statt. Einheimische und internationale Musiker spielen Barockmusik in einer tropischen Savannenumgebung, die Trocken- und Regenzeiten aufweist.
Die letzte Ausgabe des Festivals fand vom 24. bis 27. August letzten Jahres statt, das nächste wird vom 19. bis 28. April 2024 veranstaltet. Normalerweise nehmen mehr als 300 Musiker und Künstler an diesem Fest der Musik an zehn verschiedenen Veranstaltungsorten in der Region teil.
Die Chiquitanos
Als indigene Gemeinschaft, auch „ursprüngliche Völker“ oder „echte Ureinwohner des amerikanischen Kontinents“ genannt, sind die Chiquitanos eine Volk, das sich in 465 Gemeinden aufteilt und entsprach der letzten Volkszählung von 2012 etwa 142.822 Einwohnern. Ihre Muttersprache ist Chiquitano oder Bésiro, auch wenn der Einfluss des Spanischen den Gebrauch der indigenen Sprache vermindert hat.
Bevor Bolivien, wie der größte Teil Südamerikas, eine spanische Kolonie wurde, war Chiquitanien von verschiedenen ethnischen Gruppen der Arawak, Chapacura, Chiquito, Otuqui, Tupi-Guarani, Zamuco und Völkern von anderen isolierten Sprachfamilien bevölkert. Die Chiquitanos wie es sie heute gibt formten sich als indigene Gemeinschaft jedoch aufgrund der Jesuitenmissionen von Chiquitos (1691-1767). Mit anderen Worten: Diese ursprünglichen ethnischen Gruppen wurden absichtlich bzw. gewaltsam in den Missionsdörfern angesiedelt. Infolgedessen haben sie einen Prozess der sprachlichen und soziokulturellen Homogenisierung durchlaufen.
Die Chiquitanos und der Ökotourismus
Vor einigen Jahrzehnten sahen die Chiquitanos im Ökotourismus eine Möglichkeit, ihre Traditionen und ihre Familienwirtschaft zu erhalten. Dank der Unterstützung der lokalen Regierung und der indigenen Räte haben die Chiquitanos touristische Routen organisiert, die Besuche von Wanderwegen und Naturschauplätzen, gastronomische Kostproben der lokalen Küche, Ausstellungen von Kunsthandwerk und rustikale, aber komfortable Unterkünfte für ihre Besucher umfassen.
In der Region des Chiquitano-Waldes gibt es eine Reihe von Schutzgebieten wie den Noel-Kempff-Mercado-Nationalpark und den Kaa-Iya-Nationalpark sowie mehrere Schutzgebiete, in denen man Vögel und Reptilien beobachten kann, die den Europäern unbekannt sind und typisch für das Klima des Amazonas sind.
Besonders empfehlenswert ist das Städtische Naturschutzgebiet Tucavaca-Tal, das sich in der Gemeinde Roboré in der Provinz Chiquitos befindet. Es umfasst eine Gesamtfläche von 262.305 Hektar. Dort können Sie wandern oder reiten. Sie werden unglaubliche Felsformationen, „Farallones“ genannt, eine erstaunliche Vegetation und die surrealen Wälder des Tucavaca-Tals sowie Höhlen und Steinbögen sehen.
La Chiquitania: Empfehlung für Abenteuer
San José de Chiquitos liegt 277 km von der Stadt Santa Cruz de la Sierra entfernt und ist über eine asphaltierte Straße erreichbar. Die Fahrt dauert insgesamt etwa 4 Stunden, manchmal auch etwas weniger. Wir empfehlen ein Wochenende in San José de Chiquitos zu verbringen, mindestens aber zwei Nächte. Das Museum Conjunto Misional gibt einen ersten Überblick über die Region. Der Rest ist Ihnen überlassen. Entdecken Sie weiter die Spuren der Missionen oder die natürliche Artenvielfalt der Wälder. Oder lassen Sie sich von der Barockmusik mitreißen und entdecken Sie ein einzigartiges, originelles, freundliches und sehr gastfreundliches Volk.
Weiterlesen auf einer externne Webseite des SRF: Wie die Barockmusik in den Dschungel kam
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Andrés Pinzón Sinuco
Kolumbianischer Journalist und Schriftsteller mit mehr als 15 Jahren Arbeitserfahrung. MA in Atlantic Studies, Leibniz Universität, Hannover, Deutschland. Gründer des deutschen Kulturmagazins Otras Inquisiciones auf Spanisch. Freelance-Journalist für verschiedene Medien. Er arbeitete acht Jahre lang als Redakteur und Journalist bei der Zeitung El Universal, Cartagena de Indias, Kolumbien. Im Jahr 2015 war er Referent bei der dritten Ausgabe der Internationalen Konferenz über Kommunikationethik in Sevilla, Spanien, mit einem schriftlichen Beitrag zum Thema „Das Konzept der Ethik im Werk von Gabriel García Márquez“. Er ist außerdem Experte für Kulturjournalismus und Dokumentarfilme zur sozialen Sensibilisierung.